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Title: Kinder von Inhaftierten : Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung eines Kindes bei der Inhaftierung eines Elternteils
Language: German
Authors: Kühn, Jan Bela 
Issue Date: 8-Dec-2025
Abstract: 
Diese Master-Thesis hat sich mit den Auswirkungen einer elterlichen Inhaftierung auf die Entwicklung von Kindern befasst und sich mit den bestehenden Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Unterstützung der betroffenen Kinder auseinandergesetzt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich die Bewältigungslage der betroffenen Kinder in einem komplexen Spannungsfeld zwischen Stigmatisierung, Geheimhaltung, starren Regeln im Vollzug und der Notlage im eigenen Umfeld bewegt. Dies erschwert den Kindern die Bewältigung des ohnehin erlittenen Bindungsverlusts durch die Inhaftierung des Elternteils. Die emotionalen Belastungen, wirken sich auf die psychische und physische Gesundheit der Kinder aus. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, welche Faktoren die Resilienz der betroffenen Kinder fördern können und welche Konsequenzen sich für das Handlungsfeld ergeben. Stabilität im Umfeld, kindgerechte Aufklärung und offener Austausch mit pädagogischem Personal sind hier in erster Linie zu nennen. Doch auch kinderfreundliche Abläufe in den Justizvollzugsanstalten, und somit regelmäßige qualitative Kontakte zum inhaftierten Elternteil sind als Bewältigungsfaktor zu nennen. In vielen Justizvollzugsanstalten werden die Belange der Kinder noch nicht ausreichend berücksichtigt, was eine zusätzliche Belastung verursacht. Die Soziale Arbeit kann eine zentrale Rolle dabei spielen, die betroffenen Familien zu entlasten, sie entsprechend aufzuklären und durch niedrigschwellige Angebote Lösungen zu regelmäßigen Kontakten zu schaffen. Darüber hinaus kann die Soziale Arbeit ihre Rolle als Bindeglied zwischen Gefängnis und Außenwelt stärken. Sie gestaltet innerhalb der Gefängnismauern Angebote, die qualitative Kontaktmöglichkeiten ermöglichen und setzt sich im professionellen und kollegialen Austausch mit der Justiz für die Belange der Kinder von Inhaftierten ein. Dabei ist eine positive Entwicklung sichtbar geworden, die sich insbesondere durch die Implementierung des Bundesnetzwerks und der Landesfachstellen zeigt, die die Thematik im öffentlichen Diskurs fördern. Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag, in dem sie Fachkräfte aus Regelangeboten qualifizieren und sensibilisieren. Letztgenanntes könnte ein Schlüssel dafür sein, die Angebotsstruktur erheblich zu verbessern, um noch mehr betroffene Familien erreichen zu können. Trotz dieser positiven Entwicklung zeigt die Analyse auch, dass weiterhin Angebotslücken bestehen. Betroffene, die noch nicht in Regelstrukturen beraten werden können, fehlt in bestimmten Regionen der Zugang zum Angebot. Die Frage der Finanzierung von spezialisierten Angeboten stellt eine Hürde dar, um bestehende Versorgungslücken zu schließen. Es liegen insgesamt zu wenige Daten vor, um hier ein umfassendes Bild der Versorgungslage darstellen zu können. Aus diesem Grund sieht der Verfasser einen umfangreichen Bedarf an weiteren Erhebungen im Praxisfeld. Zum Einen wäre es nützlich repräsentative Daten über die Anzahl der betroffenen Kinder zu erheben. Dies könnte im Rahmen der jährlichen Erhebung des statistischen Bundesamts zu demografischen Daten des Vollzugs erhoben werden. Ergänzend könnte über eine quantitative Analyse der Angebotsstruktur ein aussagekräftiges Bild zur Versorgungslage der betroffenen Familien gewonnen werden. Die in der Analyse genannten Erkenntnisse zum Strafvollzug als intervenierende Bedingung zeigen deutlich, dass trotz prominenter Forderungen an eine Weiterentwicklung der Familienorientierung im Vollzug, noch erheblicher Bedarf besteht, um den Rechten der Kinder nach genügend Umgang mit dem inhaftierten Elternteil, nachzukommen. Die nichtrepräsentative Studie zur Besuchsregelungen, durchgeführt vom Deutschen Institut für Menschenrechte (Feige, 2019), bietet bereits ein umfassendes Bild. Dennoch wäre es wünschenswert, dass eine repräsentative Studie von der Justiz in Auftrag gegeben wird, um umfassendere Rückschlüsse ziehen zu können. Auch qualitative Studien, die die Rolle der Justiz, bzw. der Justizvollzugsanstalten, in den Blick nehmen, wären sinnvoll. Anhand von Experteninterviews mit Beamten des Justizvollzugs könnte deren Perspektive die Möglichkeiten und Grenzen der Familienorientierung im Vollzug aufzeigen. Im Vordergrund weiterer Studien sollten jedoch die betroffenen Kinder selbst stehen. Der Ergebnisse der COPING-Studie zeigen gesundheitliche Folgen für die Kinder auf, jedoch sind diese Ergebnisse noch sehr vage. Es sind zudem noch keine Kenntnisse über Langzeitfolgen einer elterlichen Inhaftierung vorhanden. Dies könnte mit narrativen/ biographischen Interviews mit ehemals Betroffenen qualitativ erhoben werden. Eine solche Studie könnte zu aussagekräftigen Erkenntnissen zu Bewältigungsfaktoren führen. Mit dieser Master-Thesis wurde ein umfassendes Bild zur Bewältigungslage der betroffenen Kinder erstellt. Dennoch konnten nicht alle Themenbereiche abgedeckt werden. Die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe wurde nur angeschnitten. Mögliche Folgen einer Inhaftierung auf das Bleiberecht ausländischer Familien wurden nicht aufgezeigt. Auch die wichtige Frage nach Finanzierungsmöglichkeiten von Angeboten konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Solche Lücken sind der Komplexität des Themas geschuldet und rechtfertigen weitere Untersuchungen. Durch das ausgewählte Forschungskonzept mit Experteninterviews konnten nur wenige Verbindungen zu den theoretischen Grundlagen der Entwicklungspsychologie hergestellt werden. Durch ein Forschungskonzept, welches sich nahe am Kind orientiert hätte, wären möglicherweise stärkere Bezüge zu Erikson oder Bowlby sichtbar geworden. Auch Verbindungen zu Bewältigungsmustern bei Trennung der Eltern, wie eine „positivoptimistische Grundhaltung“, bzw. ein „vermeidendes Bindungsverhalten“, wie in Kapitel 2.1.3 aufgezeigt, hätten durch ein anderes Forschungskonzept gelingen können. Daher wäre es spannend anhand von Fallanalysen einen schärferen Blick auf das Bewältigungsverhalten der betroffenen Kinder zu erhalten. Eine zufriedenstellende Beantwortung der Forschungsfragen erschien letztlich in diesem Format noch nicht ausreichend möglich. Jedoch konnten wichtige Hinweise und Anknüpfungspunkte dargestellt werden, die weitreichende Folgeerhebungen rechtfertigen.
Kinder von Inhaftierten sind nach wie vor eine Gruppe, der trotz ihrer spezifischen und komplexen Bewältigungslage wenig öffentliche Aufmerksamkeit zuteil kommt. Es bleibt zu hoffen, dass die gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit wächst, um weiterhin nachhaltige Verbesserungen in der Angebotsstruktur voranzutreiben. Im Zuge dieser Forschungsarbeit wurden Fachkräfte interviewt, die sich aus Überzeugung für die betroffenen Kinder einsetzen, und die letztlich der Interviewanfrage zusagten, um eben diese öffentliche Wahrnehmung zu erhöhen.
URI: https://hdl.handle.net/20.500.12738/18472
Institute: Fakultät Wirtschaft und Soziales (ehemalig, aufgelöst 10.2025) 
Department Soziale Arbeit (ehemalig, aufgelöst 10.2025) 
Type: Thesis
Thesis type: Master Thesis
Advisor: Groen, Gunter  
Referee: Vaudt, Susanne  
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